In der Anlaufstelle von open.med München nehmen Menschen ohne Krankenversicherung medizinische Hilfe in Anspruch.

Gesundheitsreport 2025

Krank und ohne medizinische Versorgung in Deutschland

2.254

Patient*innen

7.403

Konsultationen

811

Sprechstunden

185

Ehrenamtliche

In Deutschland gibt es zahlreiche Menschen, die keinen oder nur einen eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Die open.med-Projekte von Ärzte der Welt helfen dort, wo das System versagt – mit kostenloser medizinischer Hilfe und Beratung für die Betroffenen. Der Gesundheitsreport von Ärzte der Welt macht diese Realität sichtbar. Er zeigt, wer durch das Raster fällt, dokumentiert Versorgungslücken und liefert Daten für die politische Arbeit. Denn nur was sichtbar ist, kann auch verändert werden.

Im Behandlungsbus von open.med München nehmen Menschen ohne Krankenversicherung medizinische Hilfe in Anspruch.
© Katharina Sellin

In den open.med-Projekten von Ärzte der Welt haben wir im Jahr 2024 mehr als 2.000 Menschen versorgt und beraten. Insgesamt gibt es in Deutschland über 100 Einrichtungen, die Hilfe für Menschen ohne Zugang zu regulärer Gesundheitsversorgung bieten. In der Regel sind diese, wie die open.med-Projekte, abhängig von Spenden und ehrenamtlichem Engagement.

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Intervall
Beträge

Für diesen Gesundheitsreport wurden Daten von 1.133 Patient*innen ausgewertet, die im Jahr 2024 erstmalig die open.med-Projekte in Berlin, Hamburg oder München aufgesucht und der Nutzung ihrer Daten zugestimmt haben. Dies liefert aktuelle Erkenntnisse über betroffene Bevölkerungsgruppen, deren gesundheitlichen Versorgungsbedarfe und die erforderlichen Maßnahmen, um den Betroffenen einen Zugang zu regulärer Gesundheitsversorgung zu ermöglichen.

Eine Patientin und eine ehrenamtliche Ärztin von open.med Berlin-Lichtenberg im Gespräch.
© Max Avdeev

Menschen jeden Alters, Geschlechts und soziokulturellen Hintergrundes nehmen die open.med-Projekte in Anspruch. Im Jahr 2024 waren 53 % der neuen Patient*innen männlich und 47 % weiblich (inter/divers < 1 %). Neun von zehn waren Erwachsene (89 %). Bei fast der Hälfte (45 %) der minderjährigen Patient*innen handelte es sich um Kinder unter fünf Jahren. Insgesamt waren 96 Staatsangehörigkeiten vertreten. Mehr als die Hälfte (57 %) kam aus Ländern außerhalb der Europäischen Union. Etwa ein Drittel (35 %) kam aus anderen EU-Mitgliedsländern beziehungsweise aus Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweiz und 8 % waren deutsche Staatsangehörige.

Kinder und Erwachsene

Eine Mutter und ihr Kind bei einer Sprechstunde in der medizinischen Anlaufstelle von open.med München.
© Mike Yousaf

Frauen und Männer

In der medizinischen Anlaufstelle von open.med Berlin-Lichtenberg bringt eine Ärztin ein Blutdruckmessgerät am Arm eines Patienten an.
© Max Avdeev

96 Staats­angehörigkeiten

Mitarbeitende von Ärzte der Welt helfen einem Patienten im Behandlungsbus von open.med München.
© Chris Schmid

Die meisten Patient*innen haben keinen oder nur einen eingeschränkten Krankenversicherungsschutz. Im Jahr 2024 waren 88 % der neuen Patient*innen nicht krankenversichert. 9 % hatten nur einen eingeschränkten Versicherungsschutz, vor allem aufgrund von Beitragsschulden bei der Krankenkasse oder durch Einschränkungen des Asylbewerberleistungsgesetzes. 3 % waren regulär krankenversichert und konnten aus anderen Gründen keine Arztpraxis aufsuchen.

Diagramm mit den Patient*innen nach Krankenversicherungsschutz.
© Ärzte der Welt

Betroffene Bevölkerungsgruppen

Welche Bevölkerungsgruppen haben in Deutschland keinen oder nur einen eingeschränkten Zugang zu gesundheitlicher Versorgung? Welche Barrieren erschweren oder verwehren den Betroffenen den Zugang zu gesundheitlicher Versorgung? Und was muss getan werden, um ihnen eine bedarfsgerechte Versorgung im regulären Gesundheitssystem zu ermöglichen? Antworten auf diese Fragen liefern die folgenden Abschnitte:

Erwerbslose EU-Bürger*innen, die seit weniger als fünf Jahren in Deutschland leben, können aufgrund gesetzlicher Regelungen häufig keine Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung abschließen (§ 5 SGB V). In der Regel haben sie auch keinen Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitssuchende (§ 7 SGB II) und Sozialhilfe (§ 23 SGB XII) und somit zumeist keine Möglichkeit, sich in Deutschland krankenversichern zu lassen. Im Jahr 2024 gehörte etwa ein Viertel (27 %) der neuen Patient*innen in den open.med-Projekten zu dieser Bevölkerungsgruppe. Deswegen fordern wir:

EU-Bürger*innen, die erwerbslos sind und seit weniger als fünf Jahren in Deutschland leben, müssen Zugang zu regulärer Gesundheitsversorgung bekommen. Dies ließe sich zum Beispiel durch die Aufhebung der Ausschlüsse von Sozialleistungen (§ 7 SGB II, § 23 SGB XII) und die Möglichkeit einer Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung erreichen (§ 5 SGB V).

Geflüchtete Menschen bekommen in Deutschland häufig keine bedarfsgerechte gesundheitliche Versorgung. Zum einen haben sie laut § 4 AsylbLG in den ersten 36 Monaten nur Anspruch auf die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände, Leistungen bei Schwangerschaft und Geburt sowie bestimmte Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen. Weitergehende umfängliche Behandlungen sind nach § 6 AsylbLG möglich, müssen in vielen Kommunen jedoch beantragt werden. Das kann zu bürokratischen Hürden, Wartezeiten und Unterversorgung führen – insbesondere an Orten, in denen Asylsuchende keine elektronische Gesundheitskarte erhalten, sondern Behandlungsscheine vom Sozialamt beantragen müssen. Zum anderen können Rechtskreiswechsel, zum Beispiel von Sozialämtern zu Jobcentern, und bis zu monatelange Wartezeiten auf Behandlungsscheine beziehungsweise elektronische Gesundheitskarten zu gesundheitlichen Versorgungslücken führen. Im Jahr 2024 waren 11 % der neuen Patient*innen in den open.med-Projekten geflüchtete Menschen. Deswegen fordern wir:

Geflüchtete Menschen müssen direkten Zugang zu einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung bekommen. Dies wäre durch die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) und die Integration aller hilfebedürftiger Menschen in das reguläre Sozial- und Krankenversicherungssystem möglich. Zumindest müssen die Einschränkungen aufgehoben werden, sodass Geflüchtete die gleichen gesundheitlichen Leistungen erhalten wie gesetzlich Krankenversicherte (weitere Informationen).

Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus haben laut Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) Anspruch auf eine eingeschränkte Gesundheitsversorgung. Aufgrund der gesetzlichen Übermittlungspflicht (§ 87 AufenthG, § 11 AsylbLG) können sie diesen aber nicht geltend machen, ohne Haft und Abschiebung zu riskieren. Denn in Deutschland sind Sozialämter verpflichtet, Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus an die zuständige Ausländerbehörde zu melden, sobald sie eine Kostenübernahme für medizinische Leistungen beantragen. Deswegen verzichten die Betroffenen häufig auf benötigte gesundheitliche Versorgung. Im Jahr 2024 hatte fast ein Viertel (23 %) der neuen Patient*innen in den open.med-Projekten keinen geregelten Aufenthaltsstatus. Deswegen fordern wir:

Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus müssen Zugang zu regulärer Gesundheitsversorgung bekommen. Hierzu muss die gesetzliche Übermittlungspflicht (§ 87 AufenthG, § 11 AsylbLG) angepasst werden, sodass sie ihren Leistungsanspruch geltend machen können, ohne die Abschiebung zu riskieren (weitere Informationen).

Krankenversicherte Menschen, die mit ihren Beiträgen zwei Monate im Rückstand sind, bekommen häufig keine bedarfsgerechte gesundheitliche Versorgung. Zum einen haben sie einen ruhenden Leistungsanspruch (§ 16 SGB V), in der Regel also nur Anspruch auf die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände, Untersuchungen zur Früherkennung bestimmter Krankheiten und Leistungen, die bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich sind. Zum anderen wird der Zugang zu gesundheitlicher Versorgung erschwert, weil die elektronische Gesundheitskarte gesperrt ist, Ersatzbescheinigungen bei der Krankenkasse beantragt werden müssen und die Betroffenen häufig nicht über ihre Leistungsansprüche und die erforderlichen Schritte, diese geltend zu machen, informiert sind. Im Jahr 2024 hatten 4 % der neuen Patient*innen in den open.med-Projekten Beitragsschulden bei der Krankenkasse. Deswegen fordern wir:

Menschen mit Beitragsschulden bei der Krankenkasse müssen Zugang zu einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung bekommen. Hierzu ist es wichtig, dass elektronische Gesundheitskarten nicht mehr gesperrt, den Betroffenen bezahlbare Ratenzahlungsvereinbarungen angeboten und diese über ihre Leistungsansprüche aufgeklärt werden (weitere Informationen).

Es gibt in Deutschland auch Menschen, die nicht von den oben genannten sozial- und aufenthaltsrechtlichen Barrieren betroffen sind und trotzdem keine Krankenversicherung haben. Hierzu gehören zum einen deutsche und ausländische Staatsangehörige mit Aufenthaltsrecht, die nicht sozialversicherungspflichtig arbeiten, keine Sozialleistungen beziehen und denen eine freiwillige Krankenversicherung, meistens aus finanziellen Gründen, nicht möglich ist. Zum anderen ausländische Staatsangehörige, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland haben und nicht krankenversichert sind. Im Jahr 2024 waren 31 % der neuen Patient*innen in den open.med-Projekten aus dieser Personengruppe. Deswegen fordern wir:

Alle Menschen in Deutschland müssen Zugang zu einer bedarfsgerechten gesundheitlichen Versorgung bekommen. Einen Beitrag hierzu kann unter anderem die Senkung der Beitragssätze für einkommensschwache Selbständige und Selbstzahler*innen leisten.

Auch krankenversicherte Menschen haben in Deutschland teilweise keinen oder nur einen eingeschränkten Zugang zu einer bedarfsgerechten Gesundheitsversorgung. Hierzu gehören zum einen Menschen mit Krankenversicherungen, die nur einen reduzierten Leistungskatalog haben. Meistens sind das ausländische Versicherungen, Reise-, Auslands- oder private studentische Versicherungen. Zum anderen Menschen, die eine reguläre gesetzliche oder private Krankenversicherung haben und aus anderen Gründen keine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung bekommen. Diese Gründe können auch Menschen aus den anderen genannten Bevölkerungsgruppen betreffen und umfassen Sprachbarrieren und besondere Lebensumstände, wie Obdachlosigkeit oder psychische Erkrankungen. Das reguläre Gesundheitssystem ist häufig nicht ausreichend niedrigschwellig und diskriminierungsfrei, um diesen Erfordernissen gerecht zu werden. Im Jahr 2024 hatten 4 % der neuen Patient*innen in den open.med Projekten eine reguläre Krankenversicherung oder eine der genannten Versicherungen mit reduziertem Leistungskatalog. Eine Sprachmittlung war bei drei Viertel (76 %) aller neuen Patient*innen erforderlich. Deswegen fordern wir:

Alle in Deutschland lebenden Menschen müssen Zugang zu einer bedarfsgerechten und diskriminierungsfreien gesundheitlichen Versorgung bekommen. Hierzu sind umfassende gesetzliche Reformen und eine Umstrukturierung des Gesundheitswesens mit Sprachmittlungs- und niedrigschwelligen Versorgungsangeboten erforderlich (weitere Informationen).

Prekäre Lebensverhältnisse

Die meisten Patient*innen in den open.med-Projekten leben in prekären Einkommens- und Wohnverhältnissen. Im Jahr 2024 berichteten 97 % der Befragten, dass ihnen pro Monat weniger als 1.189 Euro zur Verfügung standen. Der Betrag entspricht der Armutsgefährdungsschwelle für Ein-Personen-Haushalte aus dem Jahr 2022. Vier von fünf der Befragten (78 %) gaben an, dass sie ihren Lebensunterhalt durch Unterstützung von Verwandten oder Bekannten, irreguläre Arbeiten, karitative Einrichtungen, Ersparnisse, Flaschensammeln oder Betteln bestreiten. 13 % lebten von Sozialleistungen und 9 % von einer regulären Arbeit, Rente oder Pension.

Diagramm mit den Patient*innen nach Lebensunterhalt.
© Ärzte der Welt

Von Wohnungslosigkeit waren 88 % der neuen Patient*innen aus dem Jahr 2024 betroffen. Das heißt, dass sie keinen mietvertraglich abgesicherten oder eigenen Wohnraum hatten. 37 % der Patient*innen übernachteten bei Bekannten, Verwandten oder am Arbeitsplatz. Ein Viertel (25 %) der Patient*innen hatte einen vorübergehenden Schlafplatz in einer Institution, beispielsweise in einer Unterkunft für Geflüchtete, in einer Wohnungslosenunterkunft oder in einem Frauenhaus. Etwa 26 % der Patient*innen waren obdachlos, übernachteten also auf der Straße oder in Notunterkünften.

Diagramm mit den Patient*innen nach Wohnsituation.
© Ärzte der Welt

Gesundheitliche Versorgungsbedarfe

Die Patient*innen in den open.med-Projekten haben grundsätzlich die gleichen gesundheitlichen Versorgungsbedarfe wie Menschen im regulären Gesundheitssystem. Hierzu gehören die Diagnostik und Behandlung nicht-übertragbarer und übertragbarer Erkrankungen, die Versorgung von Verletzungen und Vergiftungen sowie präventive Leistungen wie Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen. Allerdings beobachten wir regelmäßig, dass Patient*innen aufgrund des eingeschränkten Zugangs zu regulärer Gesundheitsversorgung auf benötigte Hilfe verzichten, diese erst spät in Anspruch nehmen oder nur unzureichend versorgt werden. Auch die negativen Auswirkungen prekärer Lebensverhältnisse auf die Gesundheit von Menschen werden bei unseren Patient*innen sichtbar, zum Beispiel bei Erkrankungen, die durch Obdachlosigkeit oder der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften begünstigt werden.

Ein Patient wird im Behandlungsbus von open.med München behandelt.
© Chris Schmid

Die folgenden Abschnitte geben einen detaillierten Einblick in die gesundheitlichen Versorgungsbedarfe der Patient*innen aus den open.med-Projekten. Dies erfolgt anhand der ärztlich dokumentierten ICD-10-Codes von den Erstvisiten der neuen Patient*innen im Jahr 2024.

Diagramm mit den gesundheitlichen Versorgungsbedarfen der männlichen und weiblichen Patient*innen.
© Ärzte der Welt
Diagramm mit den gesundheitlichen Versorgungsbedarfen der männlichen Patienten.
© Ärzte der Welt
Diagramm mit den gesundheitlichen Versorgungsbedarfen der weiblichen Patientinnen.
© Ärzte der Welt
Diagramm mit den gesundheitlichen Versorgungsbedarfen der volljährigen Patient*innen.
© Ärzte der Welt
Diagramm mit den gesundheitlichen Versorgungsbedarfen der minderjährigen Patient*innen.
© Ärzte der Welt

Nicht-übertragbare Erkrankungen wurden bei 59 % der Patient*innen diagnostiziert. Am häufigsten betroffen waren das Herz-Kreislauf-System (13 %), das Muskel-Skelett-System (10 %), das Verdauungssystem (10 %) und das Stoffwechselsystem (7 %). Psychische Erkrankungen wurden bei 8 % der Patient*innen dokumentiert. Häufig werden diese aber erst in Folgevisiten diagnostiziert und sind deswegen unterrepräsentiert. Gleiches gilt für alle Erkrankungen, die eine umfassende Diagnostik erfordern – zum Beispiel Krebserkrankungen.

Eine Ärztin behandelt eine Frau in der medizinischen Anlaufstelle von open.med Berlin-Lichtenberg.
© Max Avdeev

Übertragbare Krankheiten wurden bei 18 % der Patient*innen diagnostiziert. Am häufigsten waren akute Atemwegserkrankungen (10 %) und andere infektiöse oder parasitäre Erkrankungen (8 %). Von Verletzungen oder Vergiftungen waren 8 % der Patient*innen betroffen. In der Regel handelte es sich dabei um offene Wunden, Stich- und Schnittverletzungen sowie um Frakturen, Prellungen und Verstauchungen.

Eine Ärztin untersucht einen Jungen in der medizinischen Anlaufstelle von open.med Hamburg im Westend.
© Bente Stachowske

Vorsorgeuntersuchungen oder Impfungen wurden von 13 % der Patient*innen in der Erstvisite in Anspruch genommen. Dabei handelte es sich vor allem um Vorsorgeuntersuchungen für Schwangere sowie um U-Untersuchungen und Impfungen für Kinder. Insgesamt haben wir in den Erstvisiten 97 schwangere Frauen und 56 Kinder unter fünf Jahren versorgt. Nur etwa ein Drittel (37 %) der Schwangeren kam innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen das erste Mal zu open.med.

Integration ins Gesundheitssystem

Neben der gesundheitlichen Versorgung und Beratung der Patient*innen ist es das Ziel der open.med-Projekte, dass alle Patient*innen in das reguläre Gesundheitssystem integriert werden, da die Angebote der open.med-Projekte immer lückenhaft sein werden und nie ein adäquater Ersatz für eine Regelversorgung sein können. Insbesondere Menschen mit Erkrankungen, die mit hohen Therapie- und Behandlungskosten einhergehen, können nur im Regelsystem ausreichend versorgt werden. Aufgrund der aktuellen gesetzlichen Regelungen ist eine Integration in das reguläre Gesundheitssystem nicht bei allen Patient*innen möglich. Und der Aufwand, der dafür anfällt, ist meistens erheblich.

Eine Mitarbeiterin von Ärzte der Welt berät eine Klientin in der medizinischen Anlaufstelle von open.med Berlin-Lichtenberg.
© Max Avdeev

In den open.med-Projekten informieren unsere Mitarbeitenden die Patient*innen darüber, ob sie in das reguläre Gesundheitssystem integriert werden können und welche Schritte dafür nötig sind. Darüber hinaus unterstützen wir dabei, mit Behörden und Krankenkassen zu kommunizieren sowie die benötigten Dokumente zusammenzustellen. Es kann mehrere Monate dauern, die Patient*innen in das reguläre Gesundheitssystem zu integrieren. Ohne Unterstützung gelingt dies Betroffenen nur selten.

München

Annemarie Weber,
Projektleitung open.med

Annemarie Weber, Projektleitung open.med München, vor dem Behandlungsbus.
© Katharina Sellin

Häufig stellen sich die Patient*innen erst bei uns vor, wenn die gesundheitlichen Beschwerden sehr groß sind und eine hohe Dringlichkeit für eine Krankenversicherung besteht. Dennoch dauert es immer wieder mehrere Wochen bis Monate, bis die Krankenversicherung voll aktiviert ist.

Damit die Krankenversicherung bezahlt werden kann, unterstützen wir die Patient*innen bei der Antragsstellung auf Grundsicherung. Der sogenannte Basistarif bei der privaten Krankenversicherung kostet zum Beispiel ohne Bestätigung der Hilfebedürftigkeit über 1.000 Euro Monatsbeitrag – eine Summe, die …

Damit die Krankenversicherung bezahlt werden kann, unterstützen wir die Patient*innen bei der Antragsstellung auf Grundsicherung. Der sogenannte Basistarif bei der privaten Krankenversicherung kostet zum Beispiel ohne Bestätigung der Hilfebedürftigkeit über 1.000 Euro Monatsbeitrag – eine Summe, die sich unsere Patient*innen in der Regel nicht leisten können.

Und selbst mit Bestätigung der Grundsicherung hatten wir bei einem Patienten eine Bearbeitungszeit von mehr als einem Jahr.“

Im Jahr 2024 haben wir in den open.med-Projekten in Berlin, Hamburg und München, neben den Beratungen bei der Erstvorstellung, insgesamt 623 weiterführende Sozialberatungen durchgeführt. Dabei haben wir 335 Patient*innen unterstützt. Bei 158 Patient*innen konnte eine Eingliederung in das reguläre Gesundheitssystem dokumentiert werden. Dabei ist zu beachten, dass nicht für alle Patient*innen aktuelle Informationen zum Versicherungsstatus vorliegen und viele Patient*innen aufgrund gesetzlicher Barrieren nicht in das Regelsystem integriert werden können.

Sozialberatungen

Patient*innen

Integrationen

Wenn Unterstützungsbedarfe nicht gedeckt werden können, verweisen unsere Mitarbeitenden die Patient*innen an Institutionen, die diese leisten beziehungsweise bei der Eingliederung in das reguläre Gesundheitssystem helfen können. Hierzu gehören vor allem Clearingstellen zum Thema Gesundheit und Institutionen, die Unterstützung bei psychosozialen, aufenthaltsrechtlichen und sozialen Themen bieten.

Clearingstellen für Menschen ohne Krankenversicherung:
Unterstützen bei der Eingliederung in das reguläre Gesundheitssystem und können teilweise auch Kosten für die gesundheitliche Versorgung von Betroffenen übernehmen. Ein flächendeckendes Angebot an Clearingstellen für Menschen ohne Krankenversicherung gibt es in Deutschland bisher nicht (weitere Informationen).

Fazit und Ausblick

Der aktuelle Gesundheitsreport verdeutlicht, dass es in Deutschland weiterhin Bevölkerungsgruppen gibt, die keinen oder nur einen eingeschränkten Zugang zu gesundheitlicher Versorgung haben. Grund dafür sind gesetzliche Regelungen, aber auch bürokratische Hürden, Sprachbarrieren und strukturelle Diskriminierung, die den Betroffenen den Zugang zu regulärer Gesundheitsversorgung erschweren oder verwehren. Dies kann gravierende gesundheitliche Folgen haben und widerspricht der völkerrechtlichen Verpflichtung Deutschlands, für alle hier lebenden Menschen gesundheitliche Versorgung sicherzustellen. Deswegen bedarf es umfassender gesetzlicher Reformen und einer bedarfsorientierten Umstrukturierung des Gesundheitswesens. Nur so kann erreicht werden, dass alle in Deutschland lebenden Menschen ihr Recht auf Gesundheit verwirklichen können.

Mitarbeitende von Ärzte der Welt und Kooperationspartnern aus den open.med Projekten beim Treffen des Inlandsprogrammes.
© Ärzte der Welt

Dank

Der Gesundheitsreport von Ärzte der Welt wurde ermöglicht durch die Unterstützung unserer Patient*innen, der ehrenamtlichen und hauptamtlichen Kolleg*innen, unserer Kooperationspartner Ambulante Hilfe e. V. und hoffnungsorte hamburg, des Instituts für Infektions- und Tropenmedizin des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und der Deutschen Postcode Lotterie. Ihnen gilt unser herzlicher Dank.

Projektpartner

Ambulante Hilfe Stuttgart

Logo Ambulante Hilfe e.V.
© Ambulante Hilfe e.V.

Ambulante Hilfe e.V. unterstützt seit 1977 Menschen in Stuttgart, die von Armut und Wohnungslosigkeit betroffen sind.

Der Verein bietet Beratung, Streetwork und Wohnprojekte, um Betroffenen neue Perspektiven und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

Der Verein bietet Beratung, Streetwork und Wohnprojekte wie „Housing First“, um Betroffenen neue Perspektiven und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

Ambulante Hilfe e.V. und Ärzte der Welt sind Partner im Projekt MedMobil Stuttgart, das basismedizinische Versorgung und Beratungen in einer rollenden Ambulanz anbietet.

Projektpartner

hoffnungsorte hamburg

Logo von hoffnungsorte hamburg
© hoffnungsorte hamburg

hoffnungsorte hamburg bündelt die vielfältigen Aktivitäten des Vereins für Innere Mission in Hamburg, mit dem Ärzte der Welt im Rahmen der Anlaufstelle open.med eng zusammenarbeitet.

Die medizinische Grundversorgung und die soziale Beratung, die…

Die medizinische Grundversorgung und die soziale Beratung, die open.med allen Menschen ohne Krankenversicherung oder in Notlagen anbietet, ist nur ein Aspekt der Arbeit von hoffnungsorte hamburg, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Lebenschancen nachhaltig zu verbessern, indem es Probleme vor Ort erkennt, analysiert, öffentlich macht, Lösungen vorschlägt und mit Partnern umsetzt.

Unterstützer*innen

Deutsche Postcode Lotterie

Erfolgreiche Übergabe des Spendenschecks der Postcode Lotterie im Behandlungsbus von Ärzte der Welt in München. © Ärzte der Welt
© Ärzte der Welt

Die Deutsche Postcode Lotterie ist seit Jahren verlässliche Partnerin von Ärzte der Welt.

Mit ihrer Unterstützung können wir in unseren medizinischen Anlaufstellen in ganz Deutschland medizinische Versorgung und Beratung anbieten.

Mit ihrer Unterstützung können wir in unseren medizinischen Anlaufstellen in ganz Deutschland medizinische Versorgung und Beratung anbieten.

Außerdem unterstützt die Deutsche Postcode Lotterie unser Projekt reach.out, das sich zum Ziel setzt, Flüchtlinge in bayerischen „Anker-Zentren“ und Gemeinschaftsunterkünften in ihrer Gesundheitskompetenz zu stärken.

Wir freuen uns, dass die Deutsche Postcode Lotterie an unserer Seite steht und so die Versorgung vieler Menschen sichert, die sonst keinen Zugang zu medizinischer Behandlung hätten!

Kooperationspartner

Ludwig-Maximilians-Universität München

Logo der LMU München
© LMU München

Das Institut für Infektions- und Tropenmedizin des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München unterstützt Ärzte der Welt mit wissenschaftlicher Expertise.

Frühere Printberichte

Bleiben wir in Kontakt

Haben Sie Fragen oder Anmerkungen zum Gesundheitsreport von Ärzte der Welt? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir sind für Sie da.

Gianni Varnaccia,, Referent Public Health

Gianni Varnaccia

Referent Public Health

E-Mail: gianni.varnaccia@aerztederwelt.org