
Gesundheit für Alle
Unsere Forderungen
Im Gesundheitsreport von Ärzte der Welt veröffentlichen wir regelmäßig Daten aus unseren open.med-Inlandsprojekten. Diese zeigen exemplarisch, welche Personengruppen in Deutschland von der regulären Gesundheitsversorgung ausgeschlossen sind, in welchen Lebenslagen sie sich befinden und mit welchen medizinischen Anliegen sie unsere ehrenamtlich getragenen Angebote aufsuchen.
Die Ursachen für diese Ausschlüsse sind häufig struktureller oder gesetzlicher Natur – und damit politisch veränderbar. Damit alle in Deutschland lebenden Menschen ihr Recht auf Gesundheit verwirklichen können, fordert Ärzte der Welt e. V. von der Bundesregierung eine ressortübergreifende Gesamtstrategie, die gesunde Lebensbedingungen schafft und einen diskriminierungsfreien Zugang zur Gesundheitsversorgung gewährleistet.
Konkret fordern wir folgende Maßnahmen:
Krankenversicherungssystem reformieren und gesetzliche Ausschlüsse abbauen
Deutschland hat sich in internationalen Verträgen verpflichtet, sicherzustellen, dass alle Menschen in Deutschland diskriminierungsfrei Zugang zu grundlegenden Gesundheitsdiensten haben, ohne dabei in finanzielle Nöte zu geraten.
Ärzte der Welt sieht jedoch viele Menschen, die durch Gesetze, bürokratische Hürden und andere Herausforderungen von Sozialleistungen und von der Krankenversicherung ausgeschlossen sind. Die Trennung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung schafft Ungleichheiten und lässt Lücken entstehen.
Es braucht daher eine Reform des aktuellen Krankenversicherungssystems hin zu einer solidarischen gesetzlichen Gesundheitsversicherung, die
- alle in Deutschland lebenden Menschen einschließt
- bedarfsgerecht versorgt
- Gesundheitsförderung und Prävention stärker in den Fokus nimmt
- durch alle nach ihren Möglichkeiten gerecht finanziert wird.
Solange das bisherige System fortbesteht, sind unter anderem folgende gesetzliche Anpassungen notwendig, um bestehende Ausschlüsse aus der Gesundheitsversorgung abzuschaffen:
- Die Finanzierung der Notfallversorgung für nichtkrankenversicherte Menschen (§ 25 SGB XII und § 6a AsylbLG) im Krankenhaus verlässlich und praxistauglich regeln.
- Den Mindestbeitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung für einkommensschwache Selbstständige und Selbstzahler*innen so senken, dass Menschen mit sehr geringem Einkommen nicht überproportional belastet werden.
- Beitragsschulden bei Krankenkassen erlassen und die Krankenkassen verpflichten, bezahlbare Ratenzahlungsvereinbarungen mit verschuldeten und armutsbetroffenen Menschen zu treffen. Wenn Leistungen ruhen, sollte dies auf der elektronischen Gesundheitskarte als Information für Arztpraxen hinterlegt werden, statt die Karte zu sperren.
- Das Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen: Geflüchteten Menschen von Beginn an die Sozial- und Gesundheitsleistungen gewähren, die für ein menschenwürdiges Existenzminimum notwendig sind (Hintergrund siehe hier)
- Die Übermittlungspflicht (§ 87 Aufenthaltsgesetz) anpassen, damit Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus ohne Angst vor Abschiebung medizinische Versorgung erhalten können (Hintergrund siehe hier).
- Die Sozialgesetze so anpassen, dass in Deutschland lebende EU-Bürger*innen Zugang zu existenzsichernden Leistungen und zur gesetzlichen Krankenversicherung erhalten.
- Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisieren und sicherstellen, dass auch für nicht-versicherte, mittellose Schwangere ohne Meldeadresse die Kosten für Voruntersuchung, Abbruch und Nachsorge übernommen werden.
- Weitere Forderungen finden Sie in unserer Handreichung für politische Entscheidungsträger*innen, die wir gemeinsam mit dem Bundesverband Anonymer Behandlungsschein und Clearingstellen herausgegeben haben. Diese enthält, abgeleitet aus der täglichen Beratung von Menschen ohne ausreichenden Krankenversicherungsschutz, Lösungsansätze zur Verbesserung des Zugangs zu Gesundheitsversorgung für alle in Deutschland lebenden Menschen.
Unterstützen Sie unsere politische Arbeit mit einer Spende – Gemeinsam für das Recht auf Gesundheit für alle!
Gesundheitsversorgung niedrigschwellig und lückenlos sicherstellen
Der allgemeine Zugang zu Gesundheitsversorgung muss niedrigschwelliger gestaltet werden; für alle in Deutschland lebenden Menschen, jedoch mit besonderer Dringlichkeit für marginalisierte und sozial benachteiligte Personengruppen. Wir fordern dafür:
- Einen lückenlosen Zugang zu medizinischer Versorgung bei Eintritt in oder Wechsel zwischen den Sozialleistungssystemen (AsylbLG, SGB II und SGB XII) sowie Anmeldung bei den Krankenkassen sicherstellen, beispielsweise durch Übergangsbescheinigungen und Ausstellung von Krankenbehandlungsscheinen durch Sozialbehörden oder Clearingstellen
- Einen gesetzlichen Anspruch auf Sprachmittlung bei medizinischer Behandlung im Asylbewerberleistungsgesetz, im SGB V sowie SGB I und SGB X analog zum Anspruch auf Gebärdensprachdolmetschen verankern (Hintergrund siehe hier).
- Clearingstellen für Menschen ohne Krankenversicherung auf- und ausbauen sowie dauerhaft und ausreichend finanzieren. Diese sollen Menschen dabei unterstützen, (wieder) Zugang zur Krankenversicherung oder zu Sozialleistungen zu erhalten. Sie müssen mit ausreichend Bundes- und Landesmitteln ausgestattet sein, um die Kosten für akut notwendige Behandlungen im Regelsystem zu übernehmen (Hintergrund siehe hier).
- Niedrigschwellige Versorgungsangebote und -strukturen konsequent ausbauen und finanzieren – insbesondere solche, die auf prekäre Lebenslagen und Zugangshürden reagieren, wie Primärversorgungszentren, aufsuchende medizinische Hilfe in der Wohnungslosenhilfe und Angebote des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (Hintergrund siehe hier).
Gesundheitsfördernde Lebensbedingungen sicherstellen
Neben dem Abbau von Zugangsbarrieren müssen auch die Lebensumstände, die Gesundheit beeinflussen – also Wohn-, Arbeits- und Umweltbedingungen – verbessert werden. Insbesondere gesundheitsgefährdende Lebenssituationen, wie Wohnungslosigkeit oder das Leben in Sammelunterkünften müssen überwunden werden. Wir fordern daher:
- Den Nationalen Aktionsplan zur Überwindung von Wohnungslosigkeit konsequent umsetzen und weiterentwickeln.
- Wohnungen für Wohnungslose und geflüchtete Menschen zur Verfügung stellen. Sammelunterkünfte sollen nur als kurzfristige Übergangslösung dienen.
- Die Lebensbedingungen in Sammelunterkünften menschenwürdig gestalten – mit effektiven Schutzmaßnahmen vor Gewalt und besonderer Berücksichtigung individueller Schutzbedarfe (siehe Positionspapier).
Diskriminierung im Gesundheitswesen konsequent abbauen
- Klarstellen, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auch für medizinische Behandlung und Pflege gilt, damit sich Patient*innen wirksam gegen Diskriminierung wehren können.
- In Einrichtungen des Gesundheitswesens gezielte Maßnahmen gegen Diskriminierung einführen – darunter Antidiskriminierungstrainings, Ombudspersonen und niedrigschwellige Meldesysteme. Verankerung von diversitätsorientierter Kompetenz in der Aus- und Fortbildung für Gesundheitsberufe.
Datenlage verbessern
Menschen ohne Meldeadresse werden in den offiziellen Statistiken zum Krankenversicherungsschutz nicht erfasst. Bei Erhebungen zur Gesundheitsversorgung und den Einflüssen sozialer Faktoren auf die Gesundheit sind marginalisierte Gruppen häufig unterrepräsentiert. Die Bundesregierung muss hier eine bessere Datenlage sicherstellen, u.a. indem Daten von Menschen ohne Meldeadresse z.B. aus Anlauf- und Beratungsstellen systematisch in die Gesundheitsberichterstattung einbezogen werden.
#GesundheitUnteilbar
Sich zuspitzende, populistische Rhetorik und restriktive Politik gefährden die Grundrechte von armutserfahrenden Menschen, Migrant*innen und Geflüchteten; die existierenden Missstände im Gesundheitswesen lösen sie nicht. Ärzte der Welt fordert zusammen mit über 150 Organisationen des Gesundheits- und Sozialwesens eine verantwortungsvolle Sozial-, Migrations- und Gesundheitspolitik, die alle Menschen in den Blick nimmt, menschenrechtsbasiert agiert und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt:

