Um sich ein genaues Bild von unserer Arbeit in der äthiopischen Somaliregion zu machen, war Ärzte der Welt-Pressereferentin Stephanie Kirchner dort für uns unterwegs. Hier berichtet sie von ihren Eindrücken.
Tag 1
Ankunft in Jijiga

Nach einem kurzen Flug von der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba komme ich in Jijiga an, der größten Stadt der Somaliregion. Die breite, hell beleuchtete Hauptstraße führt mitten durch das Zentrum Jijigas. Der Verkehr ist dominiert von den blauen, dreiräderigen Bajaj-Motorradtaxis, die überall herumflitzen.
Am nächsten Tag wollen wir das von Ärzte der Welt unterstützte Gesundheitszentrum im Woreda Sagag besuchen. Woreda nennt man die äthiopischen Verwaltungsdistrikte, die aus mehreren Dörfern oder Nachbarschaften bestehen.
Tag 2
Sagag
„Wir sind stolz darauf, dass wir die abgelegensten Gemeinden erreichen und es motiviert uns zu sehen, dass wir einen positiven Impact haben“
Shephard Chishaka, Projektkoordinator

Nach rund vier Stunden Fahrtzeit kommen wir in der Gesundheitsstation an, wo wir von der Ärzte der Welt-Hebamme Fatuma Ahmed begrüßt werden.


Tag 3
Besuch in Degehamedo
Nachdem wir die Nacht in einem örtlichen Hostel verbracht haben, besuchen wir die Gesundheitsstation von Degehamedo.
Dort ist unsere Hebamme Sarah Ibrahim gerade dabei, die schwangere Patientin Halima Arab mit dem von Ärzte der Welt gespendete Ultraschallgerät zu untersuchen.

Halima Arab hat in der Vergangenheit ihre Kinder zu Hause zur Welt gebracht, aber bevorzugt nun die Gesundheitsstation: „Das ist sicherer für mich und das Baby.“ Als die Untersuchung zeigt, dass alles in Ordnung ist, ist Halima Arab erleichtert.

Der junge Geschäftsführer der Gesundheitsstation, Mohammed Abdi-Ahmed, kennt die Region und die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung genau, denn er ist hier in einer Nomadenfamilie aufgewachsen. Es ist beeindruckend, wie er in seinem jungen Alter die Gesundheitsstation mit einem Einzugsgebiet von bis zu 90.000 Menschen und so vielen Herausforderungen erfolgreich leitet. „Ich bin sehr glücklich über die Zusammenarbeit mit Ärzte der Welt. Sie stellen unter anderem Benzin für den Krankenwagen, wichtige Dinge für die Mütter und Babys und alle notwendigen Medikamente zur Verfügung. Und besonders wichtig sind natürlich die Hebammen.“
Auf dem Rückweg nach Jijiga denke ich über die vielen Einblicke und Geschichten nach, die ich in den ersten Tagen meiner Reise gesammelt habe. Regelmäßig wird unsere Fahrt unterbrochen durch Begegnungen mit der örtlichen Tierwelt. Immer wieder muss unser Fahrer Mohammed warten bis die unzähligen Kamel-, Schafs- und Ziegenherden die Straße überquert haben. Einmal hält er an, um eine Schildkröte zur retten, die es sich auf der Fahrbahn gemütlich gemacht hat. Am Ende leistet uns noch eine Pavianfamilie Gesellschaft, die in der Nähe von Jijiga residiert.

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Tag 4
Jijiga
Am Sonntag kann sich das Team ein wenig von den Anstrengungen der vergangenen Tage erholen. Projektkoordinator Shephard Chishaka und ich treffen uns mit dem Journalisten Ulrich Hagmann und dem Kameramann Sorin Dragoi. Sie sind nach Jijiga gekommen, um einen Fernsehbeitrag für den BR-Sternstunden-Adventskalender über das Ärzte der Welt-Projekt in der Somaliregion zu filmen.

Am kommenden Tag wollen wir mit ihnen in das etwa 65 Kilometer entfernte Vertriebenenlager Qoloji fahren, wo Ärzte der Welt medizinische und psychologische Versorgung vor allem für Frauen und Kinder anbietet.
Qoloji ist das größte Vertriebenenlager in Äthiopien. Über 100.000 Menschen leben hier auf engem Raum. Die meisten von ihnen sind aus der Nachbarregion Oromia geflohen. Um Land konkurrierenden Bevölkerungsgruppen tragen dort bewaffnete Konflikte aus. Obwohl das Camp bereits über zehn Jahre existiert, sind die Lebensbedingungen schlecht.
Tag 5
Qoloji

Aufgrund seiner Größe wirkt Qoloji von weitem eher wie eine kleine Stadt als wie ein Vertriebenenlager. Neben den traditionellen temporären Häusern stehen dort auch Gebäude, die für einen etwas längeren Zeitraum erbaut zu sein scheinen. Auf den zweiten Blick wird deutlich, dass das Camp sich eigentlich nicht gut dafür eignet, dort länger zu leben. Es wirkt überfüllt, die Unterkünfte stehen dicht an dicht. Die engen Wege dazwischen sind holprig. Es gibt wenige sanitäre Anlagen und Waschmöglichkeiten.

Zuerst besuchen wir eine Gruppensitzung für schwangere Frauen, die von unserer Hebamme in Qoloji, Fartune Alinajib, geleitet wird. Sie erklärt, auf welche Alarmzeichen man während der Schwangerschaft achten muss. Sollten zum Beispiel Blutungen, Bauchschmerzen oder Wasserablagerungen in den Beinen auftreten, empfiehlt Fartune, sich im Ärzte der Welt-Gesundheitszentrum untersuchen zu lassen. Nach ihrem Vortrag können die Teilnehmerinnen Fragen stellen und sich über ihre Erfahrungen austauschen.
„Heute rate ich jeder Frau dazu, ihr Kind in der Gesundheitsstation zur Welt zu bringen“
Fatuma Moussa, traditionelle Geburtshelferin
Im ersten Halbjahr des Jahres haben durchschnittlich etwa 50 Frauen im Monat ihre Kinder im Ärzte der Welt-Gesundheitszentrum in Qoloji zur Welt gebracht. Dass so viele Frauen ihren Weg in das Zentrum gefunden haben, ist auch Menschen wie Fatuma Moussa zu verdanken. Fatuma ist selbst durch die Gewalt in der Region Oromia vertrieben worden. Sie ist traditionelle Geburtsbegleiterin, hat also Hausgeburten unterstützt. Dabei hat sie viele Komplikationen gesehen, berichtet sie. Sie hat eine Fortbildung von Ärzte der Welt erhalten, um die Frauen ihrer Community zum Thema sichere Geburt zu informieren. „Heute rate ich jeder Frau dazu, ihr Kind in der Gesundheitsstation zur Welt zu bringen“, sagt Fatuma Moussa.

Das Fernsehteam dokumentiert den Alltag einer jungen Mutter, deren Schwangerschaft mit Unterstützung von Ärzte der Welt gut verlaufen ist. Außerdem filmen sie, wie ein Kind auf seinen Ernährungszustand untersucht wird. Auch in Qoloji bemüht sich Ärzte der Welt nach Kräften, dafür zu sorgen, dass stark unter- und mangelernährte Kinder die lebensnotwendige Versorgung erhalten. Auch hier sind die Konsequenzen der weltweiten Kürzungen staatlicher Hilfsgelder deutlich zu spüren.

Warum es auch und besonders dort, wo es an allem fehlt, wichtig ist, auf die psychische Gesundheit der Menschen zu achten, erklärt mir der Ärzte der Welt-Kollege Mustafa Edle. Er führt regelmäßig Veranstaltungen im Camp durch, die das Ziel haben, die mentale Gesundheit von Kindern zu stärken: „Wenn Menschen vertrieben werden, leiden sie häufig unter Ängsten und posttraumatischen Belastungsstörungen. Zu einer umfassenden Gesundheitsversorgung gehört psychologische Versorgung einfach dazu.“
Tag 6 & 7
Von Jijiga nach Addis Abeba
An seinem letzten Tag in Jijiga interviewt das BR-Team noch den Projektleiter Shephard Chishaka, filmt, wie das Ärzte der Welt-Team den nächsten Einsatz in Qoloji vorbereiten, und macht einige Außenaufnahmen.

Am nächsten Morgen fliegen die Journalisten und ich gemeinsam in die Hauptstadt Addis Abeba. Vom Balkon des Ärzte der Welt-Büros aus mache ich noch ein Foto der nächtlichen Skyline, bevor ich tief beeindruckt von der Region und ihren Menschen die lange Rückreise nach Deutschland antrete.





