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Foto: David Gohlke

Gesundheit und Migration

 

Gesundheit und Migration

Einwanderer verbreiten Infektionskrankheiten und sind eine Bürde für die Gesundheitssysteme der Aufnahmestaaten - Vorurteile wie diese bestimmen oft den Diskurs und führen zu restriktiver Gesetzgebung. Wie es wirklich um die Gesundheit von Migrantinnen und Migranten in Deutschland bestellt ist, darüber ist jedoch nur sehr wenig bekannt. Ärzte der Welt und die Kommission zu Migration und Gesundheit der renommierten medizinischen Fachzeitschrift The Lancet und des University College London setzen diesen Mythen nun gemeinsam Fakten entgegen.

Am 12. Dezember (Welttag der allgemeinen Gesundheitsversorgung) stellt die Lancet-Kommission ihre Studie "The health of a world on the move" in Berlin vor. Ärzte der Welt präsentiert auf der gemeinsamen Veranstaltung seinen Bericht "Verwehrtes Recht auf Gesundheit. Krank und ohne medizinische Versorgung in Deutschland".

Mithilfe internationaler und disziplinenübergreifender Forschung zeigt der Lancet-Bericht zum Beispiel auf, dass an den meisten Krankheiten Zugewanderte seltener sterben als die Bevölkerung derAufnahmeländer. Auch die Behauptung, Migration setze die Bevölkerung des Ziellandes einem höheren Risiko aus, sich mit ansteckenden Krankheiten zu infizieren, entkräften die Autor(inn)en. Sie kommen zu dem Schluss, dass Migration den Gesundheitssystemen der Einwanderungsstaaten insgesamt mehr nützt als schadet. Allerdings müsse verstärkt auf die gesundheitlichen Bedürfnisse von Migrant(inn)en eingegangen werden.

Einwanderer tragen für gewöhnlich mehr zu einer Wirtschaft bei, als sie kosten. Wie wir ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden gestalten, wird unsere Gesellschaften für Generationen formen. Es gibt kein dringenderes Thema in Bezug auf die globale Gesundheit", sagt Lancet-Chefredakteur Dr. Richard Horton.

Daten über den Gesundheitszustand von Migranten und Migrantinnen sind daher unverzichtbar, sie sind jedoch äußerst rar. Der Ärzte der Welt-Bericht, der auf der Analyse von Patientendaten aus den medizinischen Anlaufstellen der Organisation in Berlin, München und Hamburg basiert, gibt einen seltenen Einblick in die Situation derjenigen, die keinen oder nur einen eingeschränkten Zugang zum deutschen Gesundheitssystem haben. Die Mehrheit von ihnen sind Zugewanderte.

Der Bericht wirft ein Schlaglicht auf die vielfältigen negativen Einflüsse auf die Gesundheit von nach Deutschland eingewanderten Männern, Frauen und Kindern und die Barrieren, die eine angemessene medizinische Versorgung verhindern", sagt François De Keersmaeker, Direktor von Ärzte der Welt.

Mit besonderen Hürden konfrontiert sind Menschen ohne geregelten Aufenthalt, von denen laut Schätzungen mehrere Hunderttausende in Deutschland leben. Sie leiden vor allem unter der gesetzlichen Regelung, dass Mitarbeiter/-innen der Sozialämter sie bei der Ausländerbehörde melden müssen, wenn sie einen Krankenschein beantragen. Rund 72 Prozent der von Ärzte der Welt und seinen Kooperationspartnern befragten Patient(inn)en ohne geregelten Aufenthaltsstatus gaben an, in der Vergangenheit trotz Krankheit auf einen Arztbesuch verzichtet zu haben.

Auch Migrant(inn)en aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten werden durch restriktive Gesetzgebung, vor allem das Anfang 2017 in Kraft getretene sogenannte Leistungsausschlussgesetz, am Zugang zum regulären Gesundheitssystem gehindert. Hinzu kommen krankmachende Faktoren, wie schlechte Arbeitsbedingungen, Obdachlosigkeit und soziale Isolation. Insgesamt gaben nur 15,5 Prozent der befragten Patienten undPatientinnen an, über eine eigene Wohnung zu verfügen. Die anderen schliefen zum Beispiel bei Freunden oder Familienmitgliedern, inWohnheimen oder auf der Straße. Von den Obdachlosen kamen über 70 Prozent aus anderen EU-Ländern.

Auch Diskriminierungserfahrungen stellen Barrieren beim Zugang zu medizinischer Versorgung dar. Hinzu kommen administrative Probleme, Unkenntnis über das Gesundheitssystem oder Sprachbarrieren.

Mehr über die gemeinsame Veranstaltung von Ärzte der Welt und der Lancet-Kommission erfahren Sie hier.

Den deutschen Gesundheitsreport finden Sie hier.