
Nichtversicherte in Deutschland
Wer hat Zugang zur Basisgesundheitsversorgung?
Grundsätzlich haben alle gesetzlich oder privat versicherten Menschen in Deutschland Anspruch auf medizinische Leistungen. Doch in der Praxis gibt es erhebliche Hürden: Gesetzlich geschaffene und bürokratische Barrieren führen dazu, dass Menschen ohne Krankenversicherung, Wohnungslose oder Geflüchtete oft keinen oder nur eingeschränkten Zugang zur gesundheitlichen Versorgung haben. Auch Sprachbarrieren, Diskrimierungserfahrungen in Arztpraxen oder Behörden oder fehlende Papiere führen zusätzlich dazu, dass Menschen keine medizinische Hilfe in Anspruch nehmen können.
Hunderttausende schlecht versorgt
Nach Schätzungen von Ärzte der Welt haben mehrere hunderttausend Menschen in Deutschland keinen ausreichenden Zugang zu gesundheitlicher Versorgung.
Dazu gehören:
- Selbstständige, die sich die Beiträge für eine Krankenversicherung nicht leisten können,
- EU-Bürger*innen in prekären Lebenssituationen, die keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben,
- Geflüchtete mit unsicherem Aufenthaltsstatus, die nur Anspruch auf eine stark eingeschränkte medizinische Grundversorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz haben.
Doch selbst Menschen mit Versicherungsschutz sind teilweise vom Gesundheitssystem ausgeschlossen. So berichten wohnungslose Menschen regelmäßig von Diskriminierung, fehlender Anbindung an Hausärzt*innen oder dem Scheitern an bürokratischen Vorgaben.
Zudem stellen Zuzahlungen eine erhebliche Hürde dar: Laut Statistischem Bundesamt mussten gesetzlich Versicherte 2022 insgesamt rund 4,9 Milliarden Euro an Zuzahlungen leisten – insbesondere bei Medikamenten,therapeutischen Leistungen und Krankenhausaufenthalten. Menschen mit geringem Einkommen können diese oft nicht aus eigener Tasche bezahlen.
Unsere Hilfe: niedrigschwellig, kostenlos, anonym
In unseren Praxen in München, Berlin, Hamburg, Stuttgart und Magdeburg bieten wir kostenlose medizinische Versorgung und Beratung für Menschen an, die keinen oder nur eingeschränkten Zugang zum regulären Gesundheitssystem haben. Für Kinder, Frauen und Menschen mit psychischen Beschwerden gibt es eigene Sprechstunden.
Neben der allgemeinmedizinischen Versorgung kümmern sich unsere Ärzt*innen und Sozialarbeiter*innen auch um
- Überweisungen zu Fachärzt*innen,
- psychosoziale Beratung,
- Unterstützung bei der Wiederaufnahme in die Krankenversicherung.
Mobile Hilfe
In unseren Behandlungsbussen in München und Stuttgart erhalten Menschen ohne Krankenversicherung mehrmals pro Woche kostenlose medizinische Hilfe. Die aufsuchende Hilfe bietet außerdem soziale Beratung für Wohnungslose, Drogennutzer*innen und andere Menschen in schwierigen Lebenssituationen.
Unsere Hilfe im Überblick
- 2.197 Menschen haben wir im Jahr 2023 in unseren medizinischen Anlaufstellen und Behandlungsbussen versorgt und beraten.
- 85 % unserer Patient*innen waren nicht krankenversichert.
- 26 % unserer Patient*innen waren obdachlos.
Die häufigsten Diagnosen betrafen:
- Infektionen (z. B. Atemwege, Harnwege)
- Chronische Erkrankungen (z. B. Diabetes, Bluthochdruck)
- Schwangerschaften und gynäkologische Beschwerden
- Psychische Belastungen und Traumata
Unser politisches Engagement
Politisch setzen wir uns dafür ein, dass alle in Deutschland lebenden Menschen ihr Recht auf Gesundheitsversorgung verwirklichen können – unabhängig von Herkunft, Aufenthaltsstatus oder Einkommen. Denn Gesundheit darf kein Privileg sein.
Beispiele für unsere Hilfe für Nichtversicherte in Deutschland

Ärzte der Welt-Gesundheitsreport
Der Gesundheitsreport von Ärzte der Welt zählt zu den wenigen verlässlichen Informationsquellen über Menschen ohne Krankenversicherung in Deutschland. In dem kompakten Bericht wird aufgezeigt, wer hierzulande vom regulären Gesundheitssystem ausgeschlossen ist – und aus welchen Gründen jedes Jahr Hunderttausende durch das Raster fallen.
Darüber hinaus enthält der Report konkrete Handlungsempfehlungen, wie Akteur*innen in Politik und Gesundheitswesen die existierenden Missstände beheben können.
Im Rahmen der Projekte erheben wir (anonymisierte) Daten unserer Klient*innen. Dadurch erhalten wir Informationen, welche Menschen in Deutschland keinen oder einen erschwerten Zugang zu Gesundheitsversorgung haben, welchen Barrieren sie begegnen und in welcher Lebenssituation sie sich befinden. Diese Daten nutzen wir unterschiedlich, unter anderem für das interne Qualitätsmanagement, für Fördermittelanträge sowie für die politische und öffentlichkeitswirksame Arbeit.
Um die Daten für unseren jährlichen Gesundheitsreport verwenden zu können, werten wir sie in Kooperation mit der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin des Klinikums der Universität München aus.
Der Gesundheitsreport macht unter anderem auf eine Lücke in der offiziellen Datenerhebung aufmerksam und zeigt, dass viele unserer Patient*innen nicht in den offiziellen Statistiken vorkommen. Laut den Mikrozensus-Erhebungen des Statistischen Bundesamtes sind etwa 60.000 Menschen in Deutschland nicht krankenversichert. Die Haushaltsbefragungen schließen Menschen ohne Meldeadresse und private Wohnung jedoch systematisch aus.
Die Daten in unserem Gesundheitsreport zeigen zudem, dass die meisten Menschen, die in unseren Projekten medizinische Hilfe suchen, wohnungslos sind. Obwohl sie überwiegend nicht krankenversichert sind, werden sie daher nicht von den Erhebungen im Rahmen des Zensus oder Mikrozensus erfasst. Der Gesundheitsreport von Ärzte der Welt kann einen Beitrag dazu leisten, um sie sichtbar zu machen.
Seit 2018 erscheint der Gesundheitsreport jährlich. Jeder Bericht widmet sich einem Schwerpunktthema, beispielsweise “Schwangerschaft” oder “Chronische Erkrankungen”.
Druckexemplare können über die E-Mail-Adresse info@aerztederwelt.org bestellt werden. Hier kann der Gesundheitsreport als PDF heruntergeladen werden.
Gesundheitsreport 2024: Obdachlos und unversichert
Obdachlose Menschen haben häufig keinen oder nur einen eingeschränkten Zugang zu gesundheitlicher Versorgung. Der neue Gesundheitsreport von Ärzte der Welt analysiert
- welche medizinische Hilfe obdachlose Menschen dringend brauchen,
- welche Hindernisse ihnen im aktuellen Gesundheitssystem im Weg stehen,
- welche konkreten Schritte nötig sind, um ihre Versorgung zu verbessern.
Den Gesundheitsreport können Sie hier hier als PDF herunterladen.
Hilfe für Patient*innen
Informationen, Adressen und die Öffnungszeiten unserer Anlaufstellen in Hamburg, München, Berlin und Stuttgart finden Sie hier.
Häufige Fragen
Obwohl in Deutschland eine Krankenversicherungspflicht gilt, gibt es Menschen, die nicht versichert sind und somit keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung haben. Welche Personen das betrifft, wie es dazu kommt und was Ärzte der Welt dagegen tut, können Sie auf unserer Projektseite Deutschland nachlesen.
Offiziell sind etwa 61.000 Menschen nicht versichert. Die Dunkelziffer der Betroffenen liegt jedoch weitaus höher, denn Personen ohne geregelten Aufenthaltsstatus oder Wohnungslose ohne Meldeadresse werden statistisch nicht erfasst.
Ärzte der Welt geht von mehreren hunderttausend Menschen aus, die keine Krankenversicherung oder einen nur eingeschränkten Zugang zum Gesundheitssystem haben.
Laut Asylbewerberleistungsgesetz haben Asylbewerber*innen Anspruch auf Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände, auf Impfungen sowie Schwangerschaftsvorsorge, Geburtsheilkunde und U-Untersuchungen für Kinder. Versorgungslücken und Bürokratie verhindern jedoch, dass viele Geflüchtete und Asylsuchende in eine reguläre Arztpraxis gehen können. Zum Beispiel entscheidet in vielen Bundesländern nicht die Arztpraxis, wie akut eine Erkrankung ist, sondern eine Behörde. Dort brauchen Asylsuchende außerhalb eines Notfalls erst einmal einen Behandlungsschein vom Sozialamt, mit dem sie dann in die ärztliche Praxis gehen dürfen.
Ja, wir behandeln je nach Standort auch an speziellen Tagen Schwangere und Frauen mit gynäkologischen Fragen, sowie Kinder und Jugendliche oder Menschen mit psychischen Problemen (z. B. Depression, Angst, Traumata). Schauen Sie oben bei Ihrem Standort, ob und wann die Sprechstunden stattfinden.
Auch hier beraten wir medizinisch und sozial und vermitteln bei Bedarf an Fachstellen weiter.
In den Teams arbeiten und Haupt- und Ehrenamtliche eng zusammen. Insgesamt sind in den open.med-Anlaufstellen 15 Mitarbeiter*innen hauptamtlich beschäftigt. Freiwillig engagieren sich über 160 Menschen. Darunter sind Ärzt*innen und Medizinstudierende, Patientenbetreuer*innen und Dolmetscher*innen. Die Zahlen zeigen: Ohne die Ehrenamtlichen wäre die Arbeit von Ärzte der Welt undenkbar!