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Ein Flüchtlingskind schläft im Freien

Unbegleitete Kinder

Unbegleitete Kinder

 

Tausende Flüchtlingskinder halten sich derzeit unbegleitet und ohne ausreichenden Schutz und Betreuung in Griechenland auf. In einem offenen Brief haben unsere griechischen Kollegen gemeinsam mit anderen NGOs Premierminister Kyriakos Mitsotakis dazu aufgefordert, sicherzustellen, dass diese Kinder angemessen untergebracht und unterstützt werden. Lesen Sie das Schreiben hier in deutscher Übersetzung.

Sehr geehrter Herr Premierminister,

die unterzeichnenden Organisationen sind seit vielen Jahren in den Bereichen der Menschenrechte und der humanitären Hilfe tätig. Sie wenden sich in der Hoffnung an Sie, dass Sie sich für die Lösung eines sehr ernsten Problems einsetzen. Es geht um den Schutz tausender unbegleiteter Kinder, die mangels geeigneter und ausreichender Unterbringungsplätze sowie eines umfassenden Systems für die Betreuung und den Schutz der Kinder über längere Zeit in ungeeigneten Unterkünften und/oder Haftanstalten bleiben müssen. Es ist allgemein bekannt, dass die Situation, die sich in den letzten fünf Jahren entwickelt hat, weder dem Kindeswohl dient noch unserem Land angemessen ist.

Der vorliegende Brief bezieht sich auf Ihre äußerst wichtigen Initiative vom 24. November 2019, alle relevanten Kompetenzen dem Amt des Premierministers zu unterstellen und zu priorisieren, was wir grundsätzlich begrüßen. Wir müssen Sie jedoch auf eine Reihe von Problemen aufmerksam machen, die auch vom Europäischen Ausschuss für Soziale Rechte unterstrichen worden sind und die weiterhin die Rechte und die physische sowie psychische Gesundheit der unbegleitet in Griechenland ankommenden Kinder gefährden.

Nach den jüngsten verfügbaren Informationen des Nationalen Zentrums für Soziale Solidarität (EKKA) betrug die Zahl der unbegleiteten Kinder am 31. Januar 2020 5.463. Der vorherrschende Eindruck ist, dass die wirkliche Zahl deutlich höher liegt. Denn viele Flüchtlinge und Migrant*innen werden nach unseren Beobachtungen gar nicht erst registriert oder ihr Alter wird falsch geschätzt. Der Mangel an Klarheit über die tatsächliche Zahl unbegleiteter Minderjähriger stellt ein wesentliches Hindernis für den Schutz von Kindern in Griechenland dar.

Gleichzeitig stehen nach wie vor weitaus weniger langfristige Unterbringungsplätze für Kinder zur Verfügung, als benötigt werden. Obwohl die Zahl der Plätze im Jahr 2019 um 182 gestiegen ist und Ende Januar 2020 insgesamt 1.286 betrug. Darüber hinaus befinden sich schätzungsweise 187 Kinder in Haft, was keinesfalls als dem Kindeswohl zuträglich angesehen werden kann.  Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Praxis des „Schutzgewahrsams" als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention gewertet. Allein im vergangenen Jahr hat der EGMR Griechenland in mehreren Gerichtsentscheidungen wegen des Schutzgewahrsams für Minderjährige veruteilt. Insgesamt leben 1.077 unbegleitete Kinder weiterhin unter prekären Bedingungen oder sind obdachlos, mit allen Risiken, die dies für ihre Sicherheit und ihr Wohlergehen mit sich bringt.

In diesem Zusammenhang möchten wir betonen, dass die bedenkliche Lücke im Zugang von Kindern zu sicheren Unterkünften das Haupt-,aber sicherlich nicht das einzige Problem ist, das ihren Schutz untergräbt. Viele Kinder haben nach wie vor keinen Zugang zu lebensnotwendigen Diensten, einschließlich medizinischer Versorgung, psychosozialer und juristischer Unterstützung. Darüber hinaus gibt es leider Fälle, in denen Kinder vom öffentlichen Bildungssystem ausgeschlossen werden, was unter anderem gegen die Internationale Konvention über die Rechte des Kindes verstößt, die seit 1992 Teil des griechischen Rechts ist.

Schließlich möchten wir Sie auf die mangelnde Kontinuität aufmerksam machen, die das Betreuungsprogramm für unbegleitete Minderjährige untergräbt. Dieses Programm wurde bis Ende 2019 von Nichtregierungsorganisationen durchgeführt. Nun ist es zu Ende gegangen, ohne die Fortsetzung durch ein ähnliches Programm zu gewährleisten. Dadurch ist eine sehr große Lücke entstanden. Der neue Rechtsrahmen für die Betreuung von Minderjährigen wird voraussichtlich am 1. März 2020 in Übereinstimmung mit den entsprechenden Bestimmungen von L. 4554/2018 erheblich verzögert in Kraft treten. Heute, fünf Tage vor der Einführung, sind wir weder über den Beginn noch über die Art und Weise der Umsetzung informiert worden, was zu Beunruhigung und begründeten Bedenken führt. In diesem Zusammenhang ist darauf zu achten, dass die Neuregelung zusammen mit anderen wichtigen Regelungen, wie z.B. zur Pflegeunterbringung, unverzüglich in Kraft tritt, und wir die Möglichkeit haben, konkrete Positionen und Vorschläge für ihre praktische Anwendung zu unterbreiten.

 

Premierminister,

der griechische Staat hat die moralische und juristische Verpflichtung, die Grundrechte unbegleiteter Minderjähriger in Griechenland gemäß der internationalen und nationalen Gesetzgebung aktiv zu schützen.

Daher möchten wir Sie bitten, Folgendes zu gewährleisten:

  • Einrichtung und Betrieb eines einheitlichen Systems zum Schutz von Kindern, das sie, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus und ihrer Herkunft, mindestens bis zum Eintritt ins Erwachsenenalter unterstützt und schützt.
  • Die sofortige Verlegung unbegleiteter Kinder von den Aufnahme- und Identifizierungszentren auf den Inseln auf das griechische Festland bei gleichzeitiger Erhöhung der Zahl der Plätze in Schutzunterkünften, wobei besonders auf die Schaffung von Räumen geachtet wird, die nicht nur vorübergehender Natur sind, und alternative Unterbringungsformen, wie betreutes Wohnen, gefördert werden.
  • Die schnellstmögliche Umsetzung des Gesetzes 4554/2018 über die Betreuung von unbegleiteten Kindern, mit einer sofortigen Übergangsregelung, die die Zeit bis zur vollständigen Umsetzung des gesetzlichen Rahmens überbrückt, damit Kinder nicht ohne eine Person bleiben, die sie unterstützt.
  • Die Beendigung des „Schutzgewahrsams" von Kindern in Haftanstalten, Polizeistationen und anderen Einrichtungen in ganz Griechenland, was eine eklatante Verletzung der Grundrechte darstellt und zur Verurteilung unseres Landes durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geführt hat. Darüber hinaus die sofortige Überstellung von inhaftierten Minderjährigen in geeignete Strukturen.
  • Die Verpflichtung, Anträge auf internationalen Schutz für alle unbegleiteten Kinder, unabhängig vom Alter, mit dem regulären und nicht mit dem Schnellverfahren zu prüfen. Unter Berücksichtigung des Prinzips des Kindeswohls beantragen wir die Änderung der Bestimmung von Artikel 75 Absatz 7 des Gesetzes 4636/2019, um unbegleitete Kinder in das reguläre Verfahren einzubeziehen.

In der Hoffnung, dass Ihr entschlossenes Eingreifen eine Lösung herbeiführen wird und mit freundlichen Grüßen

Die unterzeichnenden Organisationen

 

AITIMA

ARSIS - Verein zur sozialen Unterstützung der Jugend

Caritas Hellas

Dänischer Flüchtlingsrat (DRC)

Defense for Children International Griechenland

Equal Rights Beyond Borders

ELIX

Greek Council for Refugees(GCR)

Hellenische Liga für Menschenrechte

Help Refugees/Choose Love

HIAS Griechenland

Human Rights Watch

International Rescue Committee (IRC)

Ärzte der Welt Griechenland

Medical Intervention

Network for Children’s Rights

PRAKSIS

Refugee Support Aegean (RSAinfo-icon)

Solidarity Now

Terre des Hommes Hellas

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