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Ein Kind in Gaza wir auf Unterernährung untersucht.

Führungskräfte fordern entschlossenes Handeln

 

Führungskräfte fordern entschlossenes Handeln

Nachdem die Vereinten Nationen Israels Vorgehen im Gazastreifen als Völkermord eingestuft haben, fordern mehr als 20 Führungskräfte großer Hilfsorganisationen die internationale Gemeinschaft in einer gemeinsamen Stellungnahme zum Eingreifen auf.

(Gaza/Paris/Berlin) Was wir in Gaza erleben, ist nicht nur eine beispiellose humanitäre Katastrophe, sondern, wie die Untersuchungskommission der Vereinten Nationen nun festgestellt hat, ein Völkermord. Mit dieser Feststellung schließt sich die Kommission einer wachsenden Zahl von Menschenrechtsorganisationen und Entscheidungsträger*innen weltweit und innerhalb Israels an.

Die Unmenschlichkeit der Situation in Gaza ist unfassbar. Als humanitäre Vertreter*innen haben wir die erschütternden Todesfälle und das Leiden der Menschen in Gaza mit eigenen Augen gesehen. Unsere Warnungen wurden ignoriert und Tausende weitere Menschenleben sind gefährdet.

Nun, nach der Anordnung der israelischen Regierung zur Massenvertreibung der fast eine Million Bewohner*innen von Gaza–Stadt, stehen wir am Rande einer noch tödlicheren Episode in der Geschichte Gazas - sofern keine Maßnahmen ergriffen werden. Gaza wurde vorsätzlich unbewohnbar gemacht.

Etwa 65.000 Palästinenser*innen sind inzwischen getötet worden, darunter mehr als 20.000 Kinder. Tausende weitere sind vermisst, begraben unter den Trümmern, die die einst lebhaften Straßen Gazas ersetzt haben.

Neun von zehn der 2,1 Millionen Bewohner*innen Gazas wurden gewaltsam vertrieben – die meisten von ihnen mehrfach – in immer kleiner werdende Landstriche, in denen ein Leben nicht mehr möglich ist.

Mehr als eine halbe Million Menschen hungern. Eine Hungersnot wurde bereits ausgerufen und breitet sich immer weiter aus. Die kumulativen Auswirkungen von Hunger und physischer Entbehrung führen dazu, dass täglich Menschen sterben.

Im Gazastreifen sind ganze Städte dem Erdboden gleichgemacht worden, mitsamt ihrer lebenswichtigen öffentlichen Infrastruktur, zu der Krankenhäuser und Wasseraufbereitungsanlagen gehören. Landwirtschaftliche Flächen wurden systematisch zerstört.

Sofern Fakten und Zahlen nicht ausreichen, gibt es noch eine Vielzahl erschütternder Geschichten.

Seit das israelische Militär vor sechs Monaten seine Belagerung verschärft und die Lieferung von Lebensmitteln, Treibstoff und Medikamenten blockiert hat, mussten wir mit ansehen, wie Kinder und Familien völlig entkräfteten und zusehends vom Hunger gezeichnet wurden. Auch unsere Kolleg*innen sind davon betroffen.

Viele von uns waren in Gaza. Wir haben unzählige Palästinenser*innen getroffen, die durch israelische Bombardierungen Gliedmaßen verloren haben. Wir haben persönlich Kinder getroffen, die durch die täglichen Luftangriffe so traumatisiert sind, dass sie nicht schlafen können. Einige können nicht sprechen. Andere haben uns gesagt, dass sie sterben wollen, um zu ihren verstorbenen Eltern im Himmel zu kommen.

Wir haben Familien getroffen, die Tierfutter essen, um zu überleben, und die Blätter kochen, um ihre Kinder zu ernähren.

Dennoch versäumen es politische Entscheidungsträger*innen weltweit, zu handeln. Fakten werden ignoriert. Zeugenaussagen werden beiseitegeschoben. Infolgedessen werden immer mehr Menschen getötet.

Unsere Organisationen können gemeinsam mit palästinensischen zivilgesellschaftlichen Gruppen, den Vereinten Nationen und israelischen Menschenrechtsorganisationen nur begrenzt etwas bewirken. Wir haben unermüdlich versucht, die Rechte der Menschen in Gaza zu verteidigen und die humanitäre Hilfe aufrechtzuerhalten, doch dabei werden wir stets behindert.

Uns wurde der Zugang verwehrt, während sich die Militarisierung des Hilfssystems als tödlich erwiesen hat. Tausende Menschen wurden erschossen, als sie versuchten, die wenigen Orte zu erreichen, an denen unter bewaffneter Bewachung Lebensmittel verteilt werden.

Die Regierungen müssen handeln, um die Vernichtung des Lebens im Gazastreifen zu verhindern, die Gewalt und die Besatzung zu beenden. Alle Parteien müssen Gewalt gegen Zivilist*innen ablehnen, sich an das humanitäre Völkerrecht halten und Frieden anstreben.

Die Staaten müssen alle ihnen zur Verfügung stehenden politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Mittel einsetzen, um zu intervenieren. Rhetorik und halbherzige Maßnahmen reichen nicht aus. Entschlossenes Handeln ist erforderlich.

Die Vereinten Nationen haben das Völkerrecht als Grundpfeiler des weltweiten Friedens und der Sicherheit verankert. Wenn die Mitgliedstaaten diese rechtlichen Verpflichtungen weiterhin als optional betrachten, machen sie sich nicht nur mitschuldig, sondern schaffen auch einen gefährlichen Präzedenzfall für die Zukunft. Diese historische Bewährungsprobe für die Menschheit wird in die Geschichte eingehen. Doch wir versagen. Wir versagen sowohl gegenüber den Menschen in Gaza und den Geiseln als auch gegenüber unserer eigenen kollektiven moralischen Verpflichtung.

 

Unterzeichnende Geschäftsführer*innen:

Arthur Larok, Generalsekretär von ActionAid International

Othman Moqbel, Geschäftsführer von Action For Humanity

Joyce Ajlouny, Generalsekretärin des American Friends Service Committee

Sean Carroll, Präsident und CEO von Anera

Reintje Van Haeringen, Geschäftsführerin von CARE International

Jonas Nøddekær, Generalsekretär von DanChurchAid

Charlotte Slente, Generalsekretärin des Danish Refugee Council

Manuel Patrouillard, Geschäftsführer von Humanity & Inclusion – Handicap International

Jamie Munn, Geschäftsführer des International Council of Voluntary Agencies (ICVAinfo-icon)

Waseem Ahmad, CEO von Islamic Relief Worldwide

Joseph Belliveau, Geschäftsführer von MedGlobal

Joel Weiler, Geschäftsführer von Médecins du Monde France

Nicolás Dotta, Geschäftsführer von Médecins du Monde Spain

Christopher Lockyear, Generalsekretär von Médecins Sans Frontières International

Kenneth Kim, Geschäftsführer von Mennonite Central Committee Kanada

Ann Graber Hershberger, Geschäftsführerin von Mennonite Central Committee USA

Jan Egeland, Generalsekretär des Norwegian Refugee Council

Amitabh Behar, Geschäftsführer von Oxfam International

Simon Panek, CEO von People in Need,

Inger Ashing, CEO von Save the Children International

Donatella Vergara, Präsidentin von Terre des Hommes Italien

Rob Williams, CEO von War Child Alliance