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François, Du bist jetzt seit neun Jahren Direktor von Ärzte der Welt. Was waren zu Beginn Deiner Tätigkeit die größten Herausforderungen?
Es war eine sehr spannende Zeit. Das Ärzte der Welt-Team hatte eine gewisse Größe, und war in Aufbruchstimmung. Es gab viele Kompetenzen im Team und nun ging es darum, in größerem Maße loszulegen.
Ein externer Faktor war dann 2016 die große Anzahl Geflüchteter, die aus Syrien nach München kamen. Es herrschte ein enormer Andrang von Patientinnen und Patienten, die auf der Durchreise waren oder in München eine Unterkunft suchten. Es gab aber kaum Angebote für eine passende Versorgung.
Ärzte der Welt hat sich schnell mobilisiert und Hilfe organisiert. Unter anderem konnten wir in München sehr rasch einen Container am Zentralen Busbahnhof aufstellen und dort medizinische Versorgung anbieten. Kurz danach konnten wir auch in Berlin neue Angebote für Ankommende starten.

Das war ein intensives Projekt und hat alle Mitarbeitenden damals stark geprägt.
Wir haben an Ort und Stelle spontan, dezidiert und kompetent geholfen. Das war für mich ein schönes Bild von dem, was Ärzte der Welt kann und welches Potenzial der Verein und die Mitarbeitenden haben. Auch unsere ehrenamtlichen Kolleg*innen haben Großes geleistet.
Gab es diese Aufbruchstimmung auch auf internationaler Ebene?
In dieser Zeit hat auch das internationale Netzwerk der verschiedenen Ärzte der Welt-Chapter begonnen, Strukturen zu entwickeln, um mehr und effizienter zusammenzuarbeiten. Wir wollten uns enger vernetzen, um gemeinsam die Zukunft zu gestalten und mehr Wirkung in den Projekten sowohl im Inland als auch im Ausland zu erzielen. Ärzte der Welt Deutschland unterstützt heute neben seinen eigenen Projekten noch viele weitere von anderen Ärzte der Welt-Sektionen.
Inzwischen sind einige Projekte abgeschlossen worden. Welche haben Dich besonders begeistert?
Im Inland war es das Projekt am Zentralen Busbahnhof in München. Es war natürlich temporär, weil sich die Situation rasch verändert hat. Aber daraus ist für Ärzte der Welt eine Dynamik entstanden. Die Inlandsprojekte, also unsere open.med-Praxen, vor allem in München sind dadurch stark gewachsen. Gleichzeitig haben wir so auch neue Potenziale gesehen. So ist zum Beispiel auch eine mobile Einheit, unser Behandlungsbus, entstanden. Die mobilen Angebote sind feste Bestandteile unseres Angebots geworden. Mittlerweile haben wir Projekte in fünf deutschen Großstädten.

Wie haben sich die internationalen Projekte verändert?
In den ersten Jahren haben wir vor allem chirurgische Hilfe angeboten, beispielsweise indem wir ehrenamtliche Ärztinnen und Ärzte aus Deutschland nach Myanmar und Kambodscha geschickt haben. Das war allerdings nur punktuell, die Mediziner*innen sind ja nach dem zwei- oder dreiwöchigen Einsatz wieder nach Deutschland zurückgekehrt.
Wir haben uns gefragt, wie man das nachhaltiger gestalten kann. Unser Schwerpunkt verlagerte sich auf die Aus- und Fortbildungen der heimischen Ärzt*innen und Fachkräfte. Nun sind dort die entsprechenden Kapazitäten vorhanden und wir sind nicht mehr nötig.
Inzwischen haben wir großflächige Projekte der humanitären Hilfe in der Ukraine und in Äthiopien, also in sehr anspruchsvollen Kontexten, in wenigen Jahren entwickelt.

Hier gilt auch dieses Prinzip: Bestehende Strukturen und Potentiale bei den lokalen Kolleg*innen und Projektpartnern ausbauen, so dass eine langfristige Wirkung bleibt.
Was sind jetzt die Themen, die Dich und den Vorstand besonders beschäftigen? Welchen Herausforderungen muss sich Ärzte der Welt derzeit stellen?
Die aktuellen Hauptherausforderungen kommen aus der politischen Stimmung, die gerade herrscht. Wir haben viele Kriege, Konflikte und die Klimakrise, das alles hat enorme Auswirkungen auf das Leben vieler Menschen.
Wir merken das auch an einer wirtschaftlichen Unsicherheit in unseren Ländern. Diese begünstigt wiederum das Erstarken von extremen politischen Aussagen. Letztendlich führt sie zu einer zunehmenden Missachtung der Menschenrechte.
Wie beurteilst Du das?
Ich empfinde das als Wertekrise. Die Politik ist immer weniger bereit, solidarisch zu handeln, nach dem Gedanken „wir zuerst“.
Glücklicherweise merken wir aber auch, dass die Mehrheit der Menschen weiterhin ein Gefühl für Solidarität und Zusammenhalt hat und für diese Werte eintritt. Das gibt uns Kraft und ist Ansporn für unsere Aktivitäten.
Hast Du eine Botschaft, die Dir in diesen Zeiten besonders wichtig ist?
Ja, mein Appell ist: Augen auf und Herz auf! Lasst uns für Werte wie Solidarität, Zusammenhalt und Menschenrechte weiter kämpfen, ihre positive Wirkung bezeugen. Sie sind unser Maßstab und leider sind sie keine Selbstverständlichkeit, auch nicht in Deutschland. Dazu gehört auch: Gesundheit ist ein Menschenrecht. Wir unterstützen unsere Patient*innen nicht aus Barmherzigkeit, sondern weil jeder Mensch ein Recht auf medizinische Versorgung hat. Es ist ein Anspruch und kein Almosen.
Diese Überzeugung wollen wir in unserer Arbeit fortsetzen und wir wissen, dass viele Menschen diese Überzeugungen teilen. Auch in schwierigen Zeiten können wir durch einen festen Zusammenhalt und Solidarität vieles erreichen. Die, die ausgeschlossen sind, brauchen uns jetzt mehr denn je und wir bleiben für sie da.
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