Seit Jahresbeginn sind rund 10.000 Menschen auf Kreta angekommen, oft unter chaotischen Bedingungen. Mitte Juli waren es teils täglich bis zu 1.000 Geflüchtete, die von der lybischen Küste mit Booten nach Kreta übersetzten, um der Situation in ihrer Heimat zu entkommen. Zwar versuchen Kommunen wie Rethymno, Heraklion oder Chania, erste Hilfe zu leisten, doch reichen die Ressourcen bei weitem nicht aus: Überall fehlt es an adäquaten Unterkünften, einer ausreichend hygienischen Infrastruktur sowie an medizinischer Versorgung. Am Hafen von Rethymno etwa warten derzeit hunderte Menschen auf eine Mahlzeit, häufig bei großer Hitze. Es fehlt selbst an den grundlegendsten Dingen.
„Wir hatten nichts mehr – kein Essen, kein Wasser, keine Medizin“, erzählt Hala Souweida (Name geändert), eine Mutter aus dem Sudan. Sie hält ihre Tochter Malika im Arm, während sie auf eine neue Zukunft in Sicherheit hofft, vielleicht in Frankreich, England oder Deutschland.
Koordinierte Hilfe dringend notwendig
Hala Souweida ist eine von vielen, die Schutz in Europa suchen, etwa, weil sie vor einen Bürgerkrieg fliehen mussten. Und bereits jetzt sind die Unterkünfte überbelegt: In Heraklion sollen bis zu 300 Personen in einer Halle untergebracht werden, die für 85 Menschen ausgelegt ist. In Chania entstand ein provisorisches Lager für rund 850 Personen. Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz sowie die lokalen Behörden arbeiten mit Nachdruck daran, die Grundversorgung sicherzustellen. Dennoch: Ohne eine überregionale Koordination und europäische Unterstützung droht sich die Lage weiter zu verschärfen.
Rechtswidrige Verweigerung von Asyl
Die aktuelle Antwort der griechischen Regierung: Die Verweigerung des Rechts auf Asyl. Premierminister Kyriakos Mitsotakis kündigte eine dreimonatige Aussetzung von Asylverfahren für Menschen an, die über das Meer aus Nordafrika nach Griechenland kommen. Er sprach von einer „notwendigen Notfallmaßnahme“, um die Situation auf Kreta zu stabilisieren. Zudem kündigte er die Errichtung eines geschlossenen Lagers auf Kreta an, mit der Option auf ein zweites. Doch Ziel sei es dort, Geflüchtete lokal festzuhalten, deren Asylanträge nicht geprüft werden können.
Migrationsminister Thanos Plevris sprach in diesem Zusammenhang von einer „Invasion“ aus Nordafrika und veröffentlichte eine Liste von Maßnahmen, die Geflüchteten drohen, darunter
- die Aussetzung der Asylverfahren
- Festnahme und Inhaftierung
- Einrichtung von Haftlagern auf Kreta
- Abriegelung der Fluchtrouten
Die Rhetorik von einer „Invasion“ und die geplante Inhaftierung Schutzsuchender werfen ernste Fragen zur Rechtsstaatlichkeit und zur Achtung der Menschenwürde auf. Viele der Betroffenen fliehen vor Krieg, Verfolgung und humanitären Katastrophen. Sie verdienen Schutz, anstelle von Abschreckung und dürfen nicht ihrer Rechte beraubt werden.
Menschenrechte wahren
Ärzte der Welt appelliert deshalb an die griechische Regierung, rechtsstaatliche Verfahren sicherzustellen und den Zugang zu Asyl nicht pauschal auszusetzen. Gemeinsam mit 108 weiteren Organisationen hat Ärzte der Welt eine Stellungnahme unterzeichnet, die zur sofortigen Rücknahme des Asylstopps aufruft.
Das Recht, Asyl zu beantragen, ist zentraler Bestandteil internationalen Rechts. Dieses darf auch in angespannten Situationen nicht eingeschränkt werden. Wir fordern zugleich die Europäische Kommission auf, Griechenland bei der Bewältigung der Lage aktiv zu unterstützen. Gleichzeitig muss die Regierung sicherstellen, dass europäische Grundrechte eingehalten werden.
Was es jetzt braucht, ist ein funktionierendes Rechts- und Hilfssystem, keine Abschreckung.